Beschka
„Die alten Straßen noch, die alten Häuser noch, die alten Freunde aber sind nicht mehr…“, so besingt Peter Gripekoven die Situation des Emigranten der nach Jahrzehnten zurückkehrt, sich zwar noch auskennt aber sich als Fremder fühlt.
Nun ganz so fremd mussten sich die ehemaligen deutschen Beschkaer ganz und gar nicht vorkommen, denn die Mitglieder des Kulturvereins „Altes Beschka“ taten alles in Ihrer Macht stehende, damit sich die Reisegruppe wohl fühlen konnte. Zwei hübsche junge serbische Mädchen, begrüßten die Ankommenden am Eingang zum „Hotel Centar“ (Foto 2.re.) mit einem freundlichen „dobar dan!“ und reichten als Willkommensgruß Brot und Salz (Foto li). Im Hotel wartete dann ein wohlschmeckendes Begrüßungsbuffet und erfrischende Getränke. Bei einem guten Schluck Beschka– Wein waren alle Strapazen der Reise bald vergessen.
Das Gefühl in Beschka wirklich willkommen zu sein, hat sich während des gesamten Aufenthaltes immer wieder bestätigt. Jede freie Minute wurde ausgenützt um in Beschka unterwegs zu sein, sei es um das alte Haus aufzusuchen in dem man einmal gewohnt hatte oder das Nachbarhaus. Die älteren Herrschaften beherrschten die serbische Sprache meist noch sehr gut, so dass es keine Verständigungsprobleme gab.
Natürlich wohnen in der Zwischenzeit viele neue Familien in den alten Häusern, zum Teil schon in der dritten Generation. Immerhin sind seit der Flucht im Oktober 1944, dreiundsechzig Jahre vergangen. Um so mehr erstaunt es, wenn viele bei ihren Besuchen feststellten, dass sie ihre Häuser noch erkannt haben.
Rührende Szenen spielten sich zum Teil ab. Manche haben sich ja bereits zwei oder schon drei Mal gesehen. Einladungen auf einen Kaffee oder einen Schnaps haben sich ergeben, längere ausführliche Unterhaltungen, Verbrüderungen und manche aufgewühlte Seele, wenn die Erinnerungen an alte Zeiten zurück kamen.
Auf den Spuren der Familien Wendel und Henn
Bei meinem Bruder Günther und bei mir waren es keine Erinnerungen, denn wir sind beide Nachgeborene. Doch vieles aus den Berichten unserer Eltern und Großeltern hatte sich in unseren Vorstellungen eingebrannt, so dass auch wir uns aufgemacht haben, die Häuser zu finden in denen Eltern, Großeltern und Verwandte gelebt haben. So suchten wir z.B. die Mala-Ruma auf (Fotos re.), wo die Großmutter Susanne Henn (Witwe) mit ihren vier Kindern lebte, das jüngste von ihnen war unsere Mutter Hildegard. Nicht weit davon entfernt wohnte einst die Familie Phillipp Henn, sie betrieben ein Lebensmittelgeschäft.
Wir mussten auch unbedingt in die Maradiker Gasse (Fotos li), wo die Großeltern Phillipp und Elisabeth Wendel mit ihren neun Kindern lebten, von denen unser Vater Heinrich der viertjüngste war. Wir mussten auch Wege gehen auf denen sie gegangen sind, zum Einkaufen, in den Weingarten, „auf die Gemeinde“ (zum Rathaus), „in die Kärch“ (in die Kirche) oder in die „Versammlung“ (die Gebetsstunde der Pfingstgemeinde), im so genannten „Gässchen“, oder in „Huwers Wärtshaus“ (Hubers Wirtshaus), das einst genau gegenüber der serbisch-orthodoxen Kirche lag.
Die deutschen Kirchbauten im Ort, sowohl die lutherische als auch die reformierte Kirche, existieren leider nicht mehr. Sie wurden unmittelbar nach der Vertreibung der Deutschen abgerissen, sicherlich deshalb, weil man die „Verursacher des zweiten Weltkrieges“ damals endlich loshaben wollte. Mit der Beseitigung ihrer religiösen Symbole meinte man dieses Kapitel endlich zuschlagen zu können.
Der einzige noch erhaltene, noch ganz im ursprünglichen Zustand sich befindende sakrale Raum - die alte Lampe, der alte Ofen die Bänke, alles ist noch vorhanden - ist der Gottesdienstraum der Pfingstgemeinde (Fotos li.). Er ist im Privatbesitz und soll mit Hilfe des Kulturvereins als Kulturdenkmal erhalten bleiben.
An so manchen Häusern im Ort konnte man sehen, dass Ihre heutigen Besitzer großes Interesse hatten die alte Bausubstanz zu erhalten. Die frisch restaurierten Fassaden, kunstvoll restaurierten Kapitelle, Hofeingangsportale und Haustüren sind nicht nur Beispiele der Wertschätzung gegenüber ihren einstigen Erbauern, sondern auch Beispiele für ein tieferes Geschichtsverständnis gegenüber einer Epoche (1860—1944) die trotz des Erlittenen Unrechts eine viel größere Zeitspanne eines gelungenen Miteinanders zwischen Serben und Deutschen umspannt, als dies in den Jahren zwischen 1939 und 1944 der Fall war.
Unsere Reise trug den Charakter des Versuches einer Versöhnung, bei dem man nicht zulassen wollte, dass der zweite Weltkrieg und die daraus resultierende Vertreibung der Schlusspunkt dieser Epoche sein sollte.
Ein für sich selbst sprechendes Beispiel stellt das alte „Börnerhaus“ in der langen Gasse dar, deren heutige Besitzer, ein junges Künstlerehepaar, sich nicht nur um die Erhaltung der Bausubstanz bemühen, sondern sich in geschmackvoller Weise auch bei der Innenausstattung, bis hin zu Einrichtung und Mobiliar, an der Historie orientieren. Es ist eine große Liebe zum Detail spürbar. Die Krönung besteht in dem sorgfältig wiederhergestellten Gewölbe des Weinkellers, der für jeden Weinbauern zum unentbehrlichen Bestandteil seines Broterwerbs gehörte.
Der abendliche Genuss eines guten Tropfen Bescka– Weines gehörte in Erinnerung an unseren Wendelgroßvater der selbst Weinbauer in Beschka war, zu den unvergesslichen Erlebnissen von uns Wendelbrüdern.